Aufregung in der Nacht, ein Gletscher, Jökulsárlón, Höfn
Mitten in der Nacht werden wir von Geräuschen am Auto wach. Nach einer kurzen Schrecksekunde bin ich mir zumindest sicher, dass ich das Auto wie jeden Abend von innen zugemacht habe. Puh! Dennoch gruselt es mich ein wenig. Nach einem kurzen Blick aus dem Heckfenster dann aber Entwarnung: Ein dickes Schaf grinst mich doof an, reibt sich noch einmal an der Stoßstange und geht dann wieder - zwei weitere Kumpels im Schlepptau. Trotzdem: Adrenalin habe ich jetzt ein wenig im Blut - der Rest der Nacht ist eher unruhig und ich stehe ziemlich gerädert auf am Morgen.
Gerädert oder nicht: Nach dem Frühstück geht es wieder auf die Straße. Schon nach wenigen Kilometern lotst Fräulein Anna uns auf den nächsten Parkplatz. Inzwischen sind wir sehr routiniert, was solche Stops angeht: Hinter den Seitentüren liegen Fleece- und Regenjacken, Mützen, Handschuhe und Kameras griffbereit.
Dieses Mal geht es zu einem weiteren Gletscher am Rande von Hvannadalshnúkur, des höchsten Gipfel Islands. Der Weg dorthin führt uns einige hundert Meter über kleine Hügel. Die Aussicht ist ziemlich schön über den See, die Sonne scheint. Leider kommen wir wieder nicht so nahe an das Eis, wie ich es mir erhofft habe.
Jökulsárlón
Und dann kommen wir auch schon bei unserem heutigen Tageshighlight an: Jökulsárlón ist ein großer Gletschersee, in dem die von der Gletscherzunge abgebrochenen Eisberge treiben. Das sieht nicht nur ein wenig surreal aus. Über eine längere Strecke befinden sich immer wieder Parkplätze am Straßenrand, von denen aus man dann über eine kleine Hügelkette zum Gletschersee kommt. Wir halten auf einem der Parkplätze und schauen uns das alles erst einmal in Ruhe an. Am anderen Ende des Sees können wir nämlich auch schon die Anfahrtsstelle für die unvermeidlichen Reisebusse sehen. Bei uns ist fast niemand.
Damit die Stimmung auch ja die richtige ist, zieht der Himmel auch prompt wieder zu und es tröpfelt auch immer wieder ein bisschen. Der See liegt dabei aber ruhig vor uns, die Eisberge sind zum Teil hell und glitzernd, zum Teil aber auch matt und grau. In dieser Größe ist mir Eis glaube ich noch nicht unter gekommen.
Weil es uns so gut gefällt, machen wir dann auch noch am Touristenzentrum halt. Hier ist richtig was los, gleich Busweise werden die hauptsächlich asiatischen Touristen auf recht große Amphibienfahrzeuge verladen, um dann bis direkt an die Eisschollen heran geschippert zu werden. Tatsächlich treibt das Eis hier aber auch deutlich näher am Ufer und man kann noch ein paar Informationen über die Gegend abgreifen, so dass sich der kurze Stopp wirklich rentiert.
So ist es zum Beispiel ein bisschen erschreckend zu lesen, dass der See sich seit den 1970er Jahren auf etwa das dreifache seiner damaligen Größe angewachsen ist. Und noch vor gut einhundert Jahren ging der Gletscher fast direkt ins Meer über - von einem See war da nicht die Rede. Schon zwei Mal wurden auf dem vereisten See Szenen für einen James-Bond-Film gedreht, Batman und Lara Croft waren jeweils ein Mal da.
Weiter geht's! Wir fahren nun eine ganze Weile durch die Landschaft. Ich bin ganz froh, wieder wirkliche Landschaft um mich herum zu haben. Das Radio dudelt schön vor sich hin, es macht richtig Spaß einfach mal ein bisschen zu fahren. Den ein oder anderen Stopp am Straßenrand legen wir aber dennoch ein.
Höfn
Schließlich kommen wir in Höfn an, unserem Zielort für heute. Obwohl der Ort nicht an der Ringstraße liegt, muss man nicht abbiegen. Sondern die Ringstraße biegt ab. Das ist tatsächlich eine kleine Besonderheit, denn normalerweise ist es schon sehr deutlich, wie sich Orte links und rechts an der Straße anordnen. Wir fahren zuerst einmal durch den Ort, ganz durch bis zum Hafen. Nach einem Einkauf schauen wir uns den Campingplatz an. Der ist deutlich schöner als der in Vík, was nicht nur am besseren Wetter liegt.
Der junge Mann an der Rezeption kommt aus Leipzig und quatscht gerne ein bisschen mit uns. Nach dem Einchecken stellen wir das Auto auf die Wiese und ich spanne die eben gekaufte Wäscheleine im Auto hinten an den Seiten, um Klamotten und Handtücher ein bisschen komfortabler unterbringen zu können. Unser Abendessen bereiten wir an der Gemeinschaftskochstelle unter einem Vordach des Campingplatz-Hauses auf einem der dort zur Verfügung stehenden Kochplatten zu. Um uns herum spricht man deutsch, man tauscht sich aus. Gegessen wird im sehr warmen Aufenthaltsraum direkt neben an, was nach einigen Tagen im Auto schon ein ordentlicher Luxus ist.
Nach dem Abendessen geht es nochmals zu Fuß eine Runde in den Ort. Es gibt hier tatsächlich auch einige Restaurants, die allerdings eher einen gehobenen Eindruck machen. Nach den Dreißig-Euro-Sandwiches bin ich da ja ein wenig vorsichtiger geworden. Am kommenden Wochenende findet hier das bekannte Lobstet Festival statt und wir können noch die ein oder andere Person beobachten, wie sie ihr Haus in grell-orange mit allerlei Band und Fähnchen schmückt. Als wir zurückkommen ist der Aufenthaltsraum leider sehr voll, so dass das abendliche Lesevergnügen doch wieder im Auto stattfinden muss.